Die Erpressung der Opfervertreter aus der Sicht von Prof. Manfred Kappeler

Veröffentlicht auf von otto

Wie kam es trotz der Ablehnung ihrer zentralen Forderungen zur Zustimmung der ehemaligen Heimkinder am RTH zum Abschlußbericht? (Fünf von Sechs haben zugestimmt.)
Am 7.und.8.12.2010 trafen sich die sechs Frauen und Männer zusammen mit drei UnterstützerInnen zur Vorberteitung auf die letzte Sitzung des Gremiums am 9. und 10.2010. Die Grundlage der Beratungen war der 3. Entwurf der Geschäftsstelle des RTH zum Abschlußbericht, der für die Abschlußverhandlungen am RTH die Ausgangslagelage bilden würde. Sie erarbeiteten eine Stellungnahme, in der sie an den „Lösungsvorschlägen“ in diesem Entwurf scharfe Kritik übten und ihre Forderungen nocheinmal bekräftigten. Da ihre Aufforderungen an die Vetreter des Bundes, der Länder, der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände, unmißverständlich und mit Zahlen zu sagen, zu welchen Entschädignungsleistungen sie bereit sind, von allen Gliedern der „Verantwortungskette“ immer zurückgewiesen wurden, sollten sie in der letzten Sitzung durch ein Verfahren wie den „Hammelsprung“ im Bundestag gezwungen werden, sich eindeutig zu erklären. Die sechs ehemaligen Heimkinder am RTH setzten sich zu Beginn der Sitzung also nicht an den Verhandlungstisch sondern blieben im Vorraum stehen. Sie überreichten ihre Stellungnahme und forderten die anderen  Mitglieder des RTH auf, durch Herauskommen zu ihnen die Unterstützung ihrer Forderungen zu manifestieren. Nur zwei folgten dieser Aufforderung. Norbert Struck, der ihr gefolgt wäre, konnte, wie oben berichtet,  an der Sitzung nicht teilnehmen, hatte seine Haltung zu den Forderungen der Ehemaligen durch seine schriftliche Stellungnahme aber unmißverständlich geäußert. Nach übereinstimmenden Berichten aller sechs Ehemaligen und eines weiteren Mitglieds des RTH geschah nun folgendes: Die Moderatorin und andere Mitglieder reagierten heftig mit der Drohung, eine Weigerung an der Schlußverhandlung teilzunehmen und dem Abschlußbericht zuzustimmen würde zum Scheitern des RTH führen. Einer der Ehemaligen schreibt am 15.12 in einem Brief:“Als wir sechs Heimkinder am Runden Tisch (alle waren stimmberechtigt) auszogen, um unseren Unmut über den vorliegenden vorläufigen Schlussbericht zu dokumentieren, wurden wir dringend aufgefordert den RT nicht platzen zu lassen. Man machte uns klar, dass ein Scheitern des RT bedeuten würde, dass es überhaupt keine Entschädigung und keine Berichte an den Bundestag und die Bundesländer gäbe“. In dieser Situation wurden zum ersten Mal die 120 Millionen für die Fonds in Aussicht gestellt, die bei einer Verweigerung der Zustimmung zu einem AB verloren gehen würden. Ein Mitglied des RTH  - kein ehemaliges Heimkind – berichtete am Abend des ersten Verhandlungstages, es sei eine „moralisch-autoritäre Drohkulisse“ gegen die ehemaligen Heimkinder hergestellt worden, der sie nicht standhalte konnten. Zwei der Ehemaligen am RTH sagten mir, sie seien mit der Drohung es gäbe weder Rehabilitation noch irgendeine Entschädigung, an den Verhandlingstisch gezwungen worden. Dennoch hat die verzweifelte Aktion der sechs Ehemaligen in den anschließenden Verhandlungen einiges bewirkt:
-    die Prinzipien der Nachrangigkeit und der Bedürftigkeit bezogen auf Leistungen aus den Fonds wurden abgeschwächt,
-    die Stellungnahme des Heimes bzw. seines Rechtsnachfolgers zur Verursachung des „Folgeschadens“ wurde gestrichen,
-    verschiedene im Entwurf zum AB enthaltene Vorbehalte von Bund,Ländern und Kirchen, bezogen auf den Umfang des den Heimkindern zugefügten Unrechts und die Anzahl der geschädigten  Heimkinder, wurden gestrichen.
-    Das war der Angelpunkt, von dem die Ehemaligen zuletzt ihre Zustimmung abhängig machten: die Öffnung des Fonds in dem Sinne, dass die 120 Millionen als Startkapital der Stiftungh zu betrachten sind und aufgestockt werden müssen, wenn der Bedarf es verlangt. Dazu wurde folgende Protokollnotiz in den Abschlußbericht aufgenommen:“Die ehemaligen Heimkinder am Runden Tisch binden ihre Zustimmung daran, dass im Interesse der Gleichbehandlung aller Betroffenen – unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung – sichergestellt ist, dass Leistungen des Fonds an alle Antragstellenden erbracht werden können“. (S.64) Auf S. 57 des AB steht der Satz:“ Zuwendungen und Spenden zu den Fonds sind über die genannte Summe hinaus jederzeit möglich und erwünscht“. Die ehemaligen Heimkinder am RTH gehen davon aus, dass eine „Deckelung“ des Fonds amit ausgeschlossen ist.

Diese in der letzten Sitzung des RTH erreichten Verbesserungen gegenüber den im 3. Entwurf zum AB deutlich gewordenen Positionen der Mehrheit der InstitutionenvertreterInnen am RTH, wurden von den ehemaligen Heimkindern am RTH als „unterste Ebene der Zustimmungsfähigkeit“ bewertet, von der aus in den kommenden Beratungen der Parlamente und Regierungen um substanzielle Nachbesserungen gekämpft werden kann und muß. Dabei wird es vor allem um die Definition der „Folgeschäden“, den Charakter , die Aufgaben und die finanzielle Austattung der Stiftung und  der Fonds und um die Unabhängigkeit der wichtigen regionalen Stützpunkte für ehemalige Heimkinder  (im AB gegen den Willen der Ehemaligen „Anlaufstellen“ genannt), zu der ein qualitatives Mitbestimmungsrecht der ehemaligen Heimkinder gehört, gehen müssen .

 

Aus:

Prof. Dr. Manfred Kappeler

Unrecht und Leid – Rehabilitation und Entschädigung?

Der Abschlussbericht des Runden Tisches Heimerziehung.

Seite 13-15

http://www.gewalt-im-jhh.de/hp2/Aktuelles/Abschlussbericht_RTH.doc 

 

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